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topplus Chaos bei Gelsenwasser-Tochter

PV-Strom: Ärger statt Geld

6.000 PV-Anlagenbetreiber im Kreis Coesfeld warten ein Vierteljahr auf Bezahlung des eingespeisten Stroms. Es geht um bis zu 30.000 € pro Anlage. 1.500 Neuanlagen sahen noch gar kein Geld.

Lesezeit: 8 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".

Marc Füstmann kommt direkt vom Feld. Der Landwirt aus Senden im Kreis Coesfeld war noch mit der Spritze unterwegs, um das sonnige Wetter auszunutzen. Sein Nachbar Stefan Limberg, selbstständiger Zimmermann, kommt hinzu. Die Photo­voltaikanlagen auf den Dächern der beiden dürften gerade gut Strom ins Netz einspeisen. Wenn es nur mit der Bezahlung auch so gut laufen würde. Doch die blieb zuletzt ganze drei Monate aus. ­Warum? Dafür findet die Gelsenwasser-Energienetze GmbH viele Gründe – jedoch keinen einzigen, der die Betreiber zufriedenstellt.

Aber von vorne: Seit 1. Januar 2023 betreibt nicht mehr Westnetz, sondern eine Gelsenwasser-Tochter das Stromnetz der acht Münsterländischen Kommunen Ascheberg, Billerbeck, Havixbeck, Lüdinghausen, Nordkirchen, Olfen, Rosendahl und Senden. Darauf war das Unternehmen aber offenbar nicht ausreichend vorbereitet: In einer Pressemitteilung von Ende März 2024 räumt die Geschäftsführung „komplexe technische Probleme“ ein. Doch Zimmermann Stefan Limberg weiß, dass die Probleme viel früher auftauchten.

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Schon 2023 Probleme

Bereits 2023, als Gelsenwasser das Geschäft von Westnetz übernahm, habe er im Januar, Februar und März kein Geld erhalten. Der Zählerstand zum Jahresende, den er online übermittelt hatte, sei nicht da, teilte man ihm mit. Ohne Zählerstand könnten sie keine Jahresendabrechnung erstellen und keine neuen Abschläge ermitteln. „Da haben sie kurzerhand und ohne Info gar nicht gezahlt.“ Er habe den Stand dann nochmals gemeldet. Nach vielen Telefonaten seien ab April rückwirkend Abschläge in gleicher Höhe wie 2022 überwiesen worden. „Die hätten sie ja auch direkt zahlen können. Und dieses Jahr schon wieder das gleiche ­Theater“, so Limberg genervt.

Was für ein Chaos

Doch das weist Gelsenwasser-Energienetze auf Anfrage des "Wochenblattes für Landwirtschaft und Landleben" von sich: Die Zahlung der Abschläge sei 2023 ohne nennenswerte Verzögerungen gestartet. Die Erstellung der Schlussrechnungen Ende 2023 und anschließende Auszahlung der Abschläge sei jedoch mit vielen Problemen behaftet gewesen. Pressesprecherin Heidrun Becker zählt auf: „fehlende Zählerstände, nicht angelegte Anlagen, Prozessprobleme, Kapazitätsprobleme …“.

Zimmermann Limberg berichtet, dass er auch dieses Mal den Zählerstand zum 31.12. online eingegeben habe. Als das Geld ausblieb, habe er Anfang März 2024 angefangen, jeden zweiten oder dritten Tag anzurufen. Auch diesmal sei die Antwort gewesen: Der Zählerstand fehlt. Mitte April hätten sie ihm dann immerhin einen Zahlungsplan geschickt. „Und bekamen noch am gleichen Tag einen Forderungsbescheid von mir zurück. Ich weiß als Handwerker ja, wie man mit Kunden umgeht, die nicht zahlen.“ Vier Tage später hätte er dann alle Abschläge gehabt. Die Abrechnung für 2023 hätten sie inzwischen auch geschickt, den Abschlag aber unverändert auf dem Niveau von 2022 gelassen, wie sie ihn also auch ohne Abrechnung hätten auszahlen können.

Warten auf Vergütung

Limbergs PV-Anlage ist mit rund 17 kW eher klein, der monatliche Abschlag mit rund 500 € deutlich niedriger als die Einspeisevergütung, die Landwirt Marc Füstmann normalerweise monatlich erhält. Aber er wartete ebenso die ersten drei Monate dieses Jahres vergeblich auf einen Zahlungseingang. Seine vier Anlagen umfassen insgesamt 265 kW. Eine der Anlagen übersteigt mit 165 kW die Grenze von 100 kW. Daher erfolgt die Bezahlung nicht anhand monatlicher Abschläge sowie einer Korrektur durch die Jahresendabrechnung. Stattdessen wird der Zählerstand automatisch an Gelsenwasser übermittelt, sodass diese monatlich den tatsächlich eingespeistem Strom abrechnen könnte. Das funktioniert aber anscheinend auch nicht: „Ich meldete Anfang des Jahres unsere Zählerstände, ­also für die kleineren Anlagen und zum jährlichen Abgleich für die große Anlage. Als Mitte Januar ­keine Zahlung reinkam, rief ich an. Da hieß es dann, dass keine Zählerstände vorlägen. Aber auch, als ich die nochmals meldete, kam kein Geld.“ Auch bei Füstmann ist es schon das zweite Mal, dass er auf Geld wartet: Nachdem er die Zählerstände 2023 nochmals meldete, kam das Geld – mit rund zwei­monatiger Verspätung. „Dieses Jahr mussten wir bis Ostern warten und die Zählerstände vorher dreimal neu durchgeben.“ Die Gelsenwasser-Energienetze veranschlagte pauschal 1900 € pro Monat für drei und 154 € pro Monat für die vierte Anlage mit 50 kW und Selbstverbrauch. Gezahlt hat sie lediglich 1900 €. Die Jahresend­abrechnungen für 2023 hat Marc Füstmann inzwischen erhalten.

6.000 Betreiber betroffen

Limberg und Füstmann sind nicht die Einzigen, die im ersten Vierteljahr auf Bezahlung ihres eingespeisten Stroms warten mussten. Nach Angaben der Gelsenwasser-Tochter gegenüber dem Wochenblatt erhielten rund 6000 von 10  000 Anlagenbetreibern von Januar bis März kein Geld. Seit der Osterwoche würden aber Abschläge in gleicher Höhe wie im letzten Jahr gezahlt. Und zwar nicht nur die Abschläge für April, sondern auch rückwirkend die seit 1. Januar 2024 fälligen Beträge. Bei Anlagen mit mehr als 100 kW leistete Gelsenwasser entsprechende Vorauszahlungen.

Da macht Füstmann andere Erfahrungen. Er wartet noch immer auf Abschläge von Januar und Februar für drei seiner Anlagen und sämtliche Abschläge der 50-kW-Anlage.

„Zur Kontrolle sind an allen Anlagen eigene Zähler installiert, die jeden Tag messen. Ich kann also genau nachhalten, wie viel Gelsenwasser mir schuldet“, erklärt Marc Füstmann. „Auch mein Schwieger­vater und ein benachbarter Milchviehhalter warten noch auf Geld von Gelsenwasser. Und das sind nur die, mit denen ich darüber gesprochen habe“, macht der Landwirt die Dimension deutlich.

Bis 10.000 €/Monat fehlen

Wie viele andere Betreiber hat Füstmann die PV-Anlagen größtenteils fremdfinanziert: „Momentan tilge ich den Kredit vom Betriebskonto. So wird der Puffer aufgebraucht, den ich in den guten Sonnenjahren 2021 und 2022 aufgebaut habe.“ Und damit steht der Landwirt vermutlich noch gut da. Pressesprecherin Heidrun Becker von Gelsenwasser-Energienetze teilt auf Nachfrage mit: „Haushalte erhalten monatlich Beträge vonbis zu 100 €, Großanlagen bis zu 10.000 € pro Monat.“ Da Gelsenwasser drei Monate nicht gezahlt hat, kann sich der Fehlbetrag also durchaus auf 30.000 € summieren. „Wenn das mal nicht den ein oder anderen in Zahlungsschwierigkeiten gebracht hat oder er seine Kredite nicht mehr bedienen konnte“, zeigt sich Füstmann besorgt.

Die Gelsenwasser-Tochter gibt an, im Austausch mit Betrieben zu stehen, die durch die ausgebliebenen Zahlungen in Schwierigkeiten geraten sind. In diesen Fällen habe sie Vorauszahlungen geleistet.

Oder doch Strategie?

„Wir produzieren Strom. Die Gelsenwasser verkauft den – zahlt uns aber nichts oder erst verspätet“, gibt Füstmann zu bedenken und fragt sich, „wie viel die dadurch in dem Vierteljahr wohl zusätzlich verdient haben.“

Wer zudem genau in die verschickten Abschlagspläne schaut, dem fällt noch etwas auf: Das Jahr scheint für Gelsenwasser nur aus elf statt zwölf Monaten zu bestehen. Auch, wenn alles „normal“ liefe, würde das Unternehmen Abschläge erst ab 15. Februar statt ab 15. Janauar zahlen, wie Zimmermann Limberg mit Blick in die verschickten Mitteilungen berichtet. „Auch eine Art, sich kurzfristige Kredite zu verschaffen“, kommentiert er nüchtern.

Keine Informationen

Die beiden Nachbarn ärgern sich auch über die Informationspolitik von Gelsenwasser: „Sowohl dieses als auch letztes Jahr kam keinerlei Info zu den ausbleibenden Zahlungen. Erst, nachdem ich mich unzählige Male bei verschiedensten Mitarbeitern beschwert habe, hat sich überhaupt etwas getan“, berich­tet Handwerker Limberg. Landwirt Füstmann ergänzt: „Bei uns war es auch beide Male das Gleiche: Immer erst, wenn wir nachgefragt haben, warum kein Geld auf dem Konto ist, sind die damit herausgerückt, dass ihnen die Zählerstände abhandengekommen sind. Ich frage mich, ob die sich überhaupt von sich aus gemeldet hätten. Oder was gewesen wäre, wenn wir unseren Kontostand nicht so im Blick gehabt hätten.“

Hoffnung auf Besserung

Immerhin für die Zukunft macht Pressesprecherin Gudrun Becker Hoffnung: „Wir werden die Abrechnungsprobleme bis zum 31. Mai dieses Jahres abgestellt haben.“ Demnach müsste dann bei den Anlagen über 100 kW auch wieder monatlich nach eingespeister Energie statt mit Vorauszahlungen abgerechnet werden. Auch eine Verrechnung mit den Vorauszahlungen der ersten Monate werde dann erfolgen. Dadurch sei rückwirkend eine korrekte Abrechnung nach erfolgter Einspeisung auch für die ersten Monate des Jahres gegeben. Die Jahresendabrechnungen 2023 würden in dem Zuge nach und nach verschickt. Der Versand der letzten Rechnungen könne sich aber bis Ende Juni strecken.

„Wenn im Rest des Jahres dann endlich wieder normal bezahlt und abgerechnet wird, bleibt nur zu hoffen, dass der Zirkus nächstes Jahr nicht von vorne losgeht“, bleibt Landwirt Füstmann skeptisch.

Das Trauerspiel um die Neuanlagen

Noch härter als die Betreiber von PV-Bestandsanlagen trifft das „Chaos“ bei der Gelsenwasser-Tochter neue Anlagen: Laut Pressesprecherin Gudrun Becker wurden 2023 und 2024 bisher 4000 Anlagen neu ans Netz angeschlossen. Davon seien allerdings nur 2500 voll im Abrechnungssystem erfasst und erhielten eine entsprechende Vergütung. Rund 1500 Anlagen seien hingegen bisher nicht oder nicht vollständig aufgenommen, ­sodass noch keine Abrechnung und somit keine Abschlagszahlung erfolgen konnte. Die Zähler liefen allerdings und lieferten entsprechende Werte für die spätere Abrechnung. Ihre Prognose: Erst in der zweiten Jahreshälfte werden ­alle Anlagen in das System ein­gepflegt sein. Erst danach kann die Einspeisevergütung erstmalig gezahlt werden.

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