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topplus Jäger und Schäfer alarmiert

„Tag des Wolfs“: Bestandsregulierung oder Weidehaltung am Ende

Die Zahl der Wölfe steigt weiter. Gleichzeitig tritt der Nutztierschutz auf der Stelle. Bei Schäfern und Jägern reißt deshalb bald der Geduldsfaden. Sie pochen auf Abschüsse und Bestandsreduzierung.

Lesezeit: 5 Minuten

Am 30. April war wieder einmal „Tag des Wolfs“. Einen medial gleichrangig behandelten „Tag des Weidetiers“ gibt es nicht. Vielleicht wäre der aber geboten, denn während der Schutz des Raubtiers trotz kräftiger Bestandsentwicklung in Deutschland weiterhin hochgehalten wird, spielt die Sicherheit der Nutztiere aus Sicht der Halter oft nur eine untergeordnete Rolle.

Stoll: Gerissene Schafe sind ein „schrecklicher Anblick“

Dem Berufsschäfer Ingo Stoll ist der Frust jedenfalls anzusehen. Er betreibt im Nordosten im Haupterwerb Schäferei mit 1.200 Mutterschafen und hat in den vergangenen fünf Jahren bereits sieben Wolfsrisse erlebt. Dabei wurden insgesamt 47 Schafe getötet. Für ihn nachvollziehbar ein „schrecklicher Anblick“. Entschädigung gab es zwar, die deckt aber nur den Schlachtpreis ab, nicht jedoch den Aufwand für Entsorgung, Zucht oder Arbeitskosten, wenn beispielsweise mitten in der Nacht die verschreckten und ausgebrochenen Schafe eingefangen werden müssen.

Ratschläge, er müsse die Tiere einfach besser schützen, empfindet Stoll als „Beleidigung“. Er stellte am vergangenen Freitag in Berlin fest, dass seine Herde amtlich bescheinigt alles Notwendige an Herdenschutz bekommt, mit bis zu 1,30 m hohen Zäunen und sechsfachen Litzen, die 6.000 Volt führen. Mehr geht nach seiner Überzeugung nicht.

Dammann-Tamke: Zwischen Wolfs- und Nutztierschutz entscheiden

Auch bei einem der jüngsten Übergriffe in Niedersachsen waren die Schafe hinter Herdenschutzzäunen untergebracht. Der hat aber ebenfalls wenig genutzt, wie der Präsident des Deutschen Jagdverbandes (DJV), Helmut Dammann-Tamke, berichtet. Trotz der vorgeschrieben Einzäunung wurden nach seinen Angaben am Mittwoch auf einem Elbdeich im Alten Land sieben Tiere gerissen. Zwei Schafe mussten getötet werden, weitere Tiere wurden ertrunken aus dem Fluss gezogen.

Für Dammann-Tamke stellt sich zunehmend eine Abwägungsfrage. Nämlich, was wichtiger ist: Der Schutz des Wolfs oder der Schutz von Nutztieren, Deichen und damit letztlich der Bevölkerung, denn Schafe sind nun einmal unerlässlich für die Deichpflege.

Krüsken: Bestandsregulierung auf den Weg bringen

Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, weist seinerseits darauf hin, dass die zunehmende Zahl an Rissen die Weidetierhaltung aufs Spiel setzt: „Wenn die Bundesregierung die Zukunft der Weidetierhaltung und die Belange des ländlichen Raumes wirklich ernst nimmt, muss sie das Bundesnaturschutzgesetz novellieren, das europäische Naturschutzrecht 1:1 umsetzen und eine Bestandsregulierung auf den Weg bringen.“

Die wichtigste Voraussetzung dafür ist laut Krüsken da, denn: „Der günstige Erhaltungszustand des Wolfes ist längst erreicht, eine Reduzierung des Wolfsbestandes ist das Gebot der Stunde. Zudem muss die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung gegen den Vorschlag der EU-Kommission zur Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes in der Berner Konvention aufgeben. Wenn überschützte Wildtiere zum Problem werden, ist eine Regulierung für Akzeptanz und Naturschutz zwingend notwendig.“

Bald so viele Rudel in Deutschland wie Einzeltiere in Schweden

Dammann-Tamke schätzt den deutschen Wolfsbestand für dieses Jahr auf 250 Rudel. Er geht aus vom amtliche Stand zum 30.4.2023, der bei 184 Rudeln lag, aber nicht die mindesten 20 % an Nachwuchs des vergangenen Jahres einberechnete. Und für dieses Jahr erwartet der DJV-Präsident noch einmal mindestens 20 % mehr. Er gibt zu bedenken, dass im menschenarmen Flächenland Schweden eine Höchstzahl von 320 Wölfen festgelegt wurde. Diese Zahl sei im dicht besiedelten Deutschland bald mit Rudeln erreicht, warnt der Jäger.

Vor diesem Hintergrund kann er nicht nachvollziehen, dass es trotz aller Versprechungen auch in dieser Weidesaison keine rechtssichere Lösung für den Umgang mit Problemwölfen gibt: „Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat im Oktober 2023 ein als rechtssicher angekündigtes Verfahren im Umgang mit Problemwölfen vorgestellt. Wie handwerklich schlecht die neu gefasste Abschussregelung ist, zeigt der Einspruch des Verwaltungsgerichts Oldenburg gegen den Schnellabschuss eines Wolfes in Niedersachsen.“ Dammann-Tamke sieht deshalb bei Lemke in der Bringschuld.

Beim Wolf "kollektive Realitätsverweigerung"

Ingo Stoll mahnt, die Sorgen und Nöte der Weidetierhalter endlich ernst zu nehmen: „Der passive Herdenschutz in Form von Zäunen und Herdenschutzhunden ist längst an seine Grenzen gestoßen. Wölfe verlieren zunehmend ihre Scheu vor dem Menschen und suchen gezielt die Dörfer und Koppeln unserer Tiere auf. Wir Weidetierhalter brauchen keine weiteren Lippenbekenntnisse von der Bundesregierung, sondern den politischen Willen, unsere Sorgen und Nöte endlich ernst zu nehmen und aktiv etwas am Umgang mit dem Wolf zu ändern.“

Ob das passiert, bleibt abzuwarten. Krüsken stellt fest, dass die Neueinstufung des Schutzstatus beim Wolfs im EU-Umweltrat bisher an Deutschland scheitert. Aus seiner Sicht ist auch die amtliche Erhebung hierzulande darauf ausgelegt, den Bestand möglichst klein aussehen zu lassen. Er beklagt beim Wolf in Deutschland eine „kollektive Realitätsverweigerung“, die eine pragmatische Lösung beim Bestandsmanagement bisher wirksam verhindert.

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